Da ist es wieder: Das Kribbeln im Bauch, die Schmetterlinge, die durch den ganzen Körper zu flattern scheinen und dieses Gefühl, dass einem in diesem Moment alles gelingen könne. Wann immer man ihn erblickt, scheint die Sonne ein wenig heller; ganz so, als wolle sie den aufflammenden Gefühlen eine ganz besondere Bühne schenken. Und wenn er lächelt – ein ehrliches, unbedachtes Lächeln, das sich bis in die Augen erstreckt und sein ganzes Gesicht zum Strahlen bringt – dann ist es fast so, als würde die ganze Welt verblassen und es gäbe nur noch die zwei Liebenden.
Man ist verliebt. Hals über Kopf, von der Fußspitze bis in die Haarwurzel.
Nur: Das Objekt der Begierde ist der eigene Chef. Und ganz plötzlich ist es mit der Romantik vorbei und die Realität bricht über einen herein, wie ein kalter Regenschauer. Denn bei allen Gefühlen, die einem vielleicht etwas anderes einzuflüstern versuchen, muss man sich doch eines eingestehen: Eine Beziehung mit dem Chef ist ein sozialer und emotionaler Drahtseilakt, der beiden doch Einiges abverlangt.
Die größte Schwierigkeit einer solchen Verbindung ist sicherlich das grundlegende Machtgefälle, das solch einer Beziehung innewohnt: Der eigene Chef ist sozial und finanziell besser gestellt als man selbst und kann über die eigene Person Autorität ausüben, die in einer „normalen“ Beziehung nicht vorhanden wäre. Eine gesunde Beziehung basiert jedoch darauf, dass beide Partner gleichberechtigt sind und auf selber Augenhöhe verhandeln – etwas, was es in einer Beziehung mit dem eigenen Chef nie geben wird.
Die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben verschwimmen: Hat der Kollege die Projektleitung erhalten, weil er wirklich fachlich kompetenter ist, als man selbst, oder ist der Chef immer noch sauer wegen des Streits gestern Abend? Oder umgekehrt: Gab es die Beförderung wegen der eigenen Fähigkeiten oder doch nur, weil man zufällig die Person ist, neben welcher der Chef jeden Morgen aufwacht? Solche Gedanken und Selbstzweifel sind Gift für einen selbst und für jede Beziehung.
Ist es also vielleicht doch besser, Distanz zu wahren? Aus der Ferne heimlich und leise zu begehren, bis die eigenen Gefühle, die einst plötzlich aufloderten wie eine Stichflamme, ebenso schnell wieder vergehen? Bis von ihnen nur noch Asche übrig bleibt und man auf jene Zeit mit nichts als einem schmunzelnden Lächeln zurückblicken kann?
All diese Fragen kann und muss sich jeder selbst beantworten. Vielleicht sind einem die Risiken zu groß; die Gefahr tief verletzt zu werden, zu bedrohlich, als dass man sich kopfüber in etwas stürzt, dessen Ausgang man nicht vorhersehen kann. Oder all das – der Nervenkitzel, das Verbotene, die Liebe an sich – ist einem die Risiken doch wert. Niemand kann einem diese Entscheidung abnehmen.
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